Ekkehard Kern, Journalist > Blog > Eine kleine Geschichte des Digitalradios

Eine kleine Geschichte des Digitalradios

Und? Haben Sie schon mal einen Bekannten gefragt, ob er auch ein DABplus-Radio zuhause im Badezimmer hat? Eben.

Die Vision vom terrestrischen Digitalradio in den Stuben (und auch im Auto) ist in Deutschland nun schon einige Jahrzehnte alt, im Sommer 2011 haben sich alle irgendwie Betroffenen, also viele Radiostationen, die Media Broadcast als Plattform, aber auch Auto- und Endgerätehersteller noch einmal zusammengerauft – und sind übereingekommen, dass es dieses Mal nun klappen muss mit der Einführung von DAB bzw. dem Nachfolge-Standard DABplus.

Klappen, das heißt: die Menschen da draußen im Land müssen endlich darüber informiert werden, dass es neben dem alten UKW auch eine moderne, digitale Technik gibt. Eine, die jenseits von Internet, Satellit und Kabel funktioniert – und die im Gegensatz zu Livestreams aus dem Netz den wesentlichen Vorteil hat, dass sie für die Anbieter der Programme keine von der Menge der Nutzer abhängigen Kosten verursacht, sondern letztendlich immer die gleichen: Broadcasting nennt sich das, über die oben genannten Anstrengungen habe ich damals, vor anderthalb Jahren, für die Zeitung geschrieben.

Nun poste ich hier – weil bisher wenig geschah. DAB bzw. DABplus sind wohl für die meisten Bundesbürger noch immer ein echtes Fremdwort, und der Radioapparat in Küche, Bad und Auto funktioniert weiterhin hervorragend, und das seit Jahrzehnten. Eine fatale Kombination für alle, die hierzulande noch immer ans Digitalradio glauben – und mit ihm Geld verdienen wollen.

Freilich haben auch die Radiostationen gemerkt, dass das Projekt hinkt. Viele unter ihnen fingen erst gar nicht damit an, es zu unterstützen. Fast alle Programmchefs von Privatstationen, mit denen ich mich unterhalten habe, redeten das Potenzial von DAB bzw. DABplus klein, manche sprachen immerhin von einer vielversprechenden Kombination aus UKW und dem berüchtigten Rückkanal über das Internet. So ganz zum alten Eisen gehören will man ja schließlich auch nicht.

Viele der Stationen, die auch 2011 während des – nennen wir es Relaunch – zu den ausdrücklichen Befürwortern des Projekts gehörten, also die öffentlich-rechtlichen Anstalten, aber auch einige Privatsender, versuchen derzeit mehr oder weniger offensiv, darauf hinzuweisen, dass es neben dem traditionellen Empfangsweg UKW auch noch terrestrisches Digitalradio gibt. Der Deutschlandfunk versteigt sich in einem Spot sogar in der Aussage, Digitalradio sei „das informativere Radio“.

Diese Feststellung kann nun wieder als Akt der Verzweiflung durchgehen, denn wie kann ein Programm, das „lediglich“ auf digitalem Verbreitungswege daherkommt und ein paar zumindest grafisch antiquiert wirkende Zusatzdienste liefert, als „informativer“ bezeichnet werden? Vom Deutschlandradio hätte man sich dann doch mehr erwartet. Am Wortanteil jedenfalls ändert sich nichts, wenn man Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur oder DRADIO Wissen hört.

Der Test

Ich habe dieser Tage einmal wieder meinen Digitalradio-USB-Stick* aus dem Regal genommen, um etwas besser illustrieren zu können, von was ich rede:

programmuebersicht

In Franken (Nordbayern) hat man zunächst einmal eine große Auswahl an Regionalfenstern (Abbildung), die Bayern 1 vom Bayerischen Rundfunk (BR) dem Nutzer eines Digitalradios zur Verfügung stellt. Zum Vergleich: Über UKW gibt es immer nur dasjenige Regionalfenster zu hören, das einen regional betrifft. (Dass nun ein Oberbayer sich für die Belange eines Mainfranken interessiert, dürfte zwar eher selten sein; ist es jedoch der Fall, ist die große Auswahl hier im Digitalradio allerdings natürlich äußerst praktisch.)

In Bayern (im Test konkret: in Unterfranken) zum Beispiel sind neben dem umfangreichen DAB-Angebot des öffentlich-rechtlichen Bayerischen Rundfunks auch Privatsender über Digitalradio zu empfangen, so zum Beispiel die in diesem Teil der Republik populäre AC-Welle Antenne Bayern (Infos des Senders über das eigene DAB-Angebot hier; Hauptkonkurrent von Bayern 3), dessen Tochter Rock Antenne, aber auch Radio Galaxy oder Mega Radio (Infos über den Reiter „dab+ News“ auf der Website), ein Augsburger Privatsender, der sein Programm neben DABplus auch über die Kabelnetze in München, Nürnberg und Augsburg, aber auch via Livestream (über radio.de) verbreitet:

Programmangebot

Kleiner Einwurf: Rock Antenne selbst bezeichnet sich nach Nachrichten zur vollen Stunde und Wetter seit eh und je als „das Digitalradio“, wie hier nachzuhören ist:

Digitalradio in Bildern

Die oben erwähnten Zusatzservices nun lassen sich gut am Beispiel Antenne Bayern illustrieren: Der Sender aus dem Münchener Vorort Ismaning betont gerne, dass sein Verkehrsservice ein besonders guter ist. Klar darf der auch beim Digitalradio nicht fehlen: Über den Service „Journaline“, den die Digitalradio-Befürworter gerne als besonderes Feature anpreisen, liefert Antenne Bayern folgende Informationen:

Service "Journaline" bei Antenne Bayern im Digitalradio

Hier das aufgeklappte Informationen-Menü …

Informationen von Antenne Bayern im Digitalradio

… die Verkehrsmeldungen im Überblick …

Verkehrsmeldungen im Überblick von Antenne Bayern im Digitalradio

…. und im Detail:

Verkehrsnachrichten im Detail auf Antenne Bayern im Digitalradio

Freilich gibt es auch den obligatorischen Blitzerservice:

Blitzerservice bei Antenne Bayern im Digitalradio

Bei der Konkurrenz kann man derweil dem Moderator beim Moderieren zusehen, …

Blick ins Studio des Münchner Programms Bayern 3 vom Bayerischen Rundfunk

… oder eben nachschlagen, wie der Sänger vom laufenden Track heißt, Auch kann der Hörer sich visuell überzeugen, …

Infos über den aktuellen Song bei Radio Galaxy im Digitalradio

…, ob das eingeschaltete Regionalfenster denn das individuell richtige ist (in diesem Fall Oberbayern):

Service "Journaline" bei Bayern 1 Oberbayern

Nun leben wir in Zeiten von Smartphones und Tablets mit Retina-Display, die wahrlich mehr darstellen können als obige Grafiken. Gerade wegen dieser neuen Geräte (inklusive Apps fürs Live-Streaming) wird das Radiohören übers Internet in den nächsten Jahren wohl noch populärer werden (vor allem bei jungen Leuten), Broadcasting via Terrestrik ist und bleibt allerdings zumindest mittelfristig ein idealer Weg, um große Massen von Menschen mit Programm zu versorgen. Warum also nicht diese beiden Empfangswege kombinieren?

Schon im Sommer 2011, als das Projekt Digitalradio in Deutschland noch einmal gepusht wurde, war klar: Solange die DAB/DABplus-Hardware nicht in die Mehrheit der Autos (serienmäßig und nicht als Extra gegen Aufpreis) ab Werk eingebaut wird, wird sich niemand für den alten neuen Standard interessieren. Und hier liegt nach wie vor das Problem: Volkswagen verlangt beim neuesten Golf stolze 225 Euro für einen gewissen „Digitalen Radioempfang DAB+“, …

Kosten für Radio-"Extras" beim Golf

Mercedes-Benz nimmt bei seiner C-Klasse 487,90 Euro:

Bildschirmfoto 2013-01-11 um 00.11.58

Dann also lieber nur UKW?

Als wohl einzige wirkliche „Killer-App“ des Digitalradio-Pakets kann man – zumindest wenn man sich für Fußball interessiert – 90elf sehen, „Deutschlands Fußball-Radio“, wie der Claim sagt. Theoretisch sind die Kanäle des Programms (die die verschiedenen Parallelspiele der Bundesliga übertragen) deutschlandweit zu empfangen, kostenlos übers Internet – und eben via Digitalradio. Tatsächlich gibt es allerdings noch immer sehr viele weiße Flecken auf der DAB-Karte, der Inhouse-Empfang ist in vielen Regionen nicht möglich (wenn man keine große Dachantenne für den terrestrischen Empfang hat, sondern lediglich die Stabantenne des DAB-Radiogeräts).

Die drei Programme des Deutschlandradios sind schon aus rundfunkrechtlichen Gründen natürlich auch im Digitalradio über einen sogenannten nationalen Multiplex deutschlandweit empfangbar – immerhin auf einer einzigen Frequenz. Ob sich ein kleines Programm wie Absolut Radio aus Bayern – nun ebenfalls in allen Bundesländern empfangbar – hingegen in ganz Deutschland behaupten kann, darf wohl bezweifelt werden. Immerhin: Die Chance, sich als Radioprogramm bundesweit zu etablieren, ist nun größer geworden.

*Quelle der Screenshots: Software von Noxon


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