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WDR-Radio: Widerstand gegen Reformpläne von Valerie Weber

Beim WDR-Radio scheinen viele Mitarbeiter mehr als unzufrieden mit den Plänen ihrer Hörfunkdirektorin Valerie Weber. Seit etwas mehr als einem Jahr ist die Dame, die zuvor Geschäftsführerin und Programmchefin des Privatradios Antenne Bayern war, nun in Köln tätig.

Interne Mails: Nur eine Nachrichtensendung für alle großen Wellen

Von Anfang an gab es Bedenken, dass die vom Kommerzradio sozialisierte Valerie Weber die Programme des öffentlich-rechtlichen WDR-Hörfunks bis zur Unkenntlichkeit umgestalten könnte.

Interne Mails und Sitzungsprotokolle, die RADIOWATCHER zugespielt wurden und die mittlerweile teilweise auch auf Twitter von einem Account namens WDR Leaks veröffentlicht wurden, dokumentieren nun, dass es künftig nur noch eine einzige Nachrichtensendung zur vollen Stunden geben wird. Sie soll inklusive Wetter nicht länger als dreieinhalb Minuten dauern und sowohl im jungen 1LIVE als auch auf den Wellen WDR 2, WDR 3, WDR 4 und WDR 5 laufen.

Wie Mails belegen, sind derzeit Arbeitsgruppen damit beschäftigt, Test-Nachrichtensendungen, sogenannte Piloten, zu produzieren, die dann der Hörfunkdirektorin vorgelegt werden.

Konzept ohne Inhalt?

In einer der Mails heißt es etwa, dass die für ein öffentlich-rechtliches Radio wesentlichen Inhalte bei der Neukonzeption der Nachrichtensendungen zu wenig berücksichtigt würden. Es gibt Bedenken, dass dies den WDR-Nachrichten auf Dauer schaden könnte, ist der Mail zu entnehmen. Viele Mitarbeiter sorgen sich offensichtlich um nicht weniger als die Glaubwürdigkeit „ihrer“ Wellen.

Zum Ende hin soll’s versöhnlich werden

Überhaupt sei es wenig wünschenswert, dass Nachrichten in das befürchtete streng reglementierte formale Konzept gepresst werden, heißt es. Teil des Plans von Valerie Weber und Hörfunk-Chefredakteurin Angelica Netz ist aktuell offensichtlich, dass die Nachrichten mit einem sogenannten „O-Ton der Stunde“ beginnen und mit einem „versöhnlichen Rausschmeißer“, wie es in einem Sitzungsprotokoll heißt, enden.

Nach aktueller Planung soll der Moderator der Nachrichten am Sendungsschluss also „stets mit relevanter, aber eher ‚versöhnlicher‘ (Netz) NRW- oder Regional-Meldung noch einmal deutlicher auftreten“. Dieser „NRW-Hinhörer“ könne laut Protokoll „aus allen Themenbereichen stammen“. Insgesamt soll das Nachrichtenformat „eine erkennbare Struktur haben und Impulse bieten, dran zu bleiben“, heißt es im Protokoll.

Fehlen Valerie Weber nachvollziehbare Argumente?

Aus den RADIOWATCHER vorliegenden zahlreichen Mails der WDR-Mitarbeiter geht auch hervor, dass es Valerie Weber bislang offensichtlich nicht oder nur sehr bedingt gelungen ist, ihre Pläne vor der Belegschaft und den freien Mitarbeitern argumentativ glaubhaft zu verteidigen und die Kollegen für gemeinsame Vorhaben zu gewinnen.

So bezweifelt der Autor einer Rundmail etwa, dass die Hörer von WDR 5 zur vollen Stunde nur noch dreieinhalb Minuten Nachrichten am Stück hören wollten, wie es offensichtlich von der Hörfunkdirektorin derzeit geplant ist.

Meinungsstarkes Magazin stutzen?

Überhaupt verändert sich nach Auffassung vieler Mitarbeiter beim WDR derzeit vieles zum Negativen hin. So beratschlage bei WDR 5 im Moment eine Arbeitsgruppe über Kürzungen beim Meinungsmagazin Politikum, schreibt der „Journalist“ unter der Überschrift „Kritisch, unbequem, teuer“.

Passt eine solche sich kritisch gebende Sendung also nicht in Valerie Webers Konzept? Dieser Verdacht drängt sich zumindest auf. Aus der Selbstbeschreibung der Sendung:

Das Meinungsmagazin bietet Fläche zur Reibung: aus Lust an der Provokation und mit dem Mut zur klaren Meinung. Die Sendung greift Themen aus dem engen und weiten Feld der Politik auf, vertieft sie, stellt kritische Fragen und öffnet neue Zusammenhänge.

Ziemlich sicher wird man sich in den kommenden Monaten wohl auch mit der Frage beschäftigen müssen, inwieweit der Hörfunk des Westdeutschen Rundfunks noch der gesetzlich vorgegebenen Grundversorgung der Bürger genügt – sollten sich die Vorahnungen bestätigen.

Stellungnahme vom WDR

RADIOWATCHER hat beim WDR um eine Stellungnahme zum Thema gebeten. Hier ist sie im Wortlaut:

Derzeit wird in allen Programmbereichen und Redaktionen des WDR, ob Hörfunk oder Fernsehen, überlegt, wie künftig trotz finanzieller Einschnitte und Personalabbau weiterhin ein ansprechendes und attraktives Programm gestaltet werden kann, das den Qualitätsanforderungen an ein öffentlich-rechtliches Angebot gerecht wird.

Auch über die Präsentation der Hörfunk-Nachrichten wird beraten, und zwar im Rahmen vieler Programmüberlegungen für das Jahr 2016. Beschlossen ist noch gar nichts.

Im Gegenteil, die Überlegungen und Diskussionen befinden sich noch in einem frühen Stadium des Brainstormings. Die Überlegungen reichen von einer stärkeren Individualisierung der einzelnen Formate bis hin zu einem gemeinsamen Nachrichtenlayout für mehrere Wellen.

Weber: „Illoyalität schadet dem ganzen Unternehmen“

Valerie Weber ist über den Twitter-Account WDR Leaks nachvollziehbarerweise not amused. Ihre Stellungnahme zum Thema steht auf der Unternehmenswebsite des WDR. Hier ist sie im Wortlaut:

Brainstormings oder Workshops zu neuen Formatentwicklungen oder Programmänderungen stehen für einen guten Radiosender auf der Tagesordnung. Insofern sind wir es im WDR Hörfunk gewohnt, Neues auch immer mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemeinsam zu entwickeln. Deshalb enttäuscht es mich besonders, dass solche kreativen Prozesse in dieser filigranen Phase des Entstehens – wenn noch gar nichts entschieden ist – nach außen getragen werden. Und als Chef überlegen Sie dann auch, ob Sie sich – bei allem Teamspirit – künftig noch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beraten können, wenn einzelne von ihnen WDR-Interna nach außen ‚posten‘. Das, was jetzt veröffentlicht wurde, sind auch Ergebnisse eines Mitarbeiter-Workshops und damit geistiges Eigentum von festen und freien WDR-Kolleginnen und -Kollegen.

Interview mit „WDR Leaks“

Update, 2. Juli: Die WDR-Mitarbeiter hinter „WDR Leaks“ haben sich bereiterklärt, mit RADIOWATCHER ein Interview über ihre Motivation und ihre Ziele zu führen. Hier kann es nachgelesen werden.


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