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rbb-Programmchefin: „Die E-Mail war keine Satire“

Radio-Fritz-Moderator Ken Jebsen wird Antisemitismus vorgeworfen. Mit der RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle sprach Morgenpost Online über den schwerwiegenden Verdacht und die Konsequenzen für zukünftige Sendungen.

Seit zehn Jahren moderiert Ken Jebsen Sonntag für Sonntag auf Radio Fritz die Sendung „KenFM“. Vergangene Woche hatte er eine wirre E-Mail an einen seiner Hörer verschickt, in der er den Holocaust als PR-Aktion bezeichnete.

Diese war später vom Publizisten Henryk M. Broder auf dessen Website „Achse des Guten“ veröffentlicht worden. Am Mittwoch hat der RBB die Antisemitismusvorwürfe für unbegründet erklärt und bekanntgegeben, dass Jebsen am Sonntag wieder vors Mikrofon darf.

Über die Vorkommnisse der Woche und Konsequenzen für ihren Moderator sprach Ekkehard Kern mit RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle.

Morgenpost Online: Frau Nothelle, manche Menschen haben das Gefühl, dass sich mit der Sendung „KenFM“ und deren Aushängeschild, Moderator Ken Jebsen, so etwas wie eine sonntägliche Parallelgesellschaft auf „Fritz“ entwickelt hat. Er redet ja immer wieder von wilden Verschwörungstheorien wie davon, dass die Anschläge vom 11. September das Werk der CIA seien. Wie finden Sie das als Chefin?

Claudia Nothelle: Die politischen Aussagen, die er da teilweise in fast 15 Minuten ausgeführt hat, sind oftmals ziemlich wirr, auf jeden Fall absolut missverständlich. So, dass ich der Auffassung bin: So etwas hat im RBB keinen Platz, das hätte so nicht gesendet werden dürfen. Das heißt natürlich nicht, dass bei uns keine ungewöhnlichen Meinungen vorgetragen werden dürfen. Aber diese müssen auch als Meinung klar gekennzeichnet sein. Und: Sie müssen untermauert sein mit Fakten und Belegen, zumindest müssen sie nachvollziehbar sein. Selbstverständlich muss auch immer die andere Seite dargestellt werden. Das sind alles Dinge, die dort gefehlt haben.

Morgenpost Online: Wie konnte das passieren? Die Sendung gibt es ja schon länger.

Claudia Nothelle: Ja, die Sendung gibt es seit zehn Jahren. Aber Ken Jebsen macht sie nicht in dieser Form seit zehn Jahren. Die Sendung KenFM ist ursprünglich als vierstündige Unterhaltungssendung ins Programm gekommen. Sonntagnachmittag, Jugendradio, Unterhaltungssendung – passt eigentlich ganz gut. Es geht darum, dass Bands live vor Ort sind, Hörer kommen können – kombiniert mit vielen Aktionen, ein sicher nicht ganz klassisches Radioformat. Zeitlich kann ich den Punkt der Veränderung noch nicht genau benennen, wann die Sendung so politisch wurde. Vor einigen Wochen hat Ken Jebsen jedenfalls diese politischen, sogenannten „RückblicKEN“ ins Programm gebracht, bei denen er live die politischen Themen der Woche analysiert. Mein Problem ist, dass dies offenkundig einige Wochen lang geschehen konnte, ohne dass die Programmverantwortlichen eingeschritten sind – jenseits des Antisemitismus-Vorwurfs, der auf einer ganz anderen Ebene liegt. Das ist ein redaktionelles Versäumnis.

Morgenpost Online: Hat sich Jebsen dazu geäußert, ob er die wirre Mail an einen seiner Hörer ernst gemeint hat? Es wird Ihrem Moderator ja vorgeworfen, ein Antisemit zu sein.

Claudia Nothelle: Er hat sie ernst gemeint, sie ist nicht als Satire geschrieben. Aber er hat sie unter hohem Druck geschrieben. Allerdings: Den Gedanken, dass man gewisse Dinge noch mal liegen lässt, bevor man sie losschickt, haben wir ihm sehr nahe gebracht. Wir haben mit ihm darüber geredet, dass man nicht aus einer aufgeheizten Stimmung heraus eine Mail schreibt und sie losschickt.

Morgenpost Online: Sie schreiben in Ihrer Presseaussendung auch über Jebsen, dass er – so wörtlich – „junge Hörerinnen und Hörer für Politik begeistern soll und zum Mitreden anregen will“. Wie geht das mit dem erlebten Verhalten von Jebsen zusammen?

Claudia Nothelle: Das ist schon seine Grundauffassung. Er sagt, er möchte gerade die jungen Hörerinnen und Hörer, die normalerweise nicht unbedingt politisch hochinteressiert sind, dazu anregen, sich mit den Themen auseinanderzusetzen und nachzufragen. Das kann ich absolut unterschreiben, das tut einem jungen Programm gut. Dass Jebsen dann noch weiter geht und sagt, er bürstet quer zur normalen Lesart, zur normalen Deutung von Ereignissen: Auch das kann man machen. Aber: Dafür braucht man dann eben eine sachliche Auseinandersetzung, Argumente und verschiedene Positionen, die berücksichtigt werden.

Morgenpost Online: Was wird am Sonntag bei „KenFM“ anders sein als sonst?

Claudia Nothelle: Es wird wieder deutlich stärker eine Unterhaltungssendung sein: Es geht um die Musikszene, um Bands, die vor Ort sind. Ken Jebsen wird sich zu Beginn der Sendung zum Antisemitismus-Vorwurf und zur Mail äußern. Er kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Und der Politik-Anteil wird deutlich reduziert sein.

Morgenpost Online: Aus dem RBB-Rundfunkrat heißt es, Ken Jebsen dürfe ab sofort keine politischen Statements mehr abgeben.

Claudia Nothelle: Die politischen Themen, die er setzt, sind künftig abgesprochen. Und wenn es um Meinungsäußerungen geht, werden wir auch über Formulierungen reden müssen. So ist das sonst im Journalismus auch üblich, dass man redaktionell über bestimmte Darstellungsformen spricht.

Morgenpost Online: „Fritz“-Hörer haben kritisiert, dass sie erst einen Tag nach der Aussetzung der Sendung am Sonntag mitteilten, warum Ken Jebsen nicht vors Mikrofon dürfe.

Claudia Nothelle: Die Entscheidung haben wir sehr kurzfristig getroffen – etwa 20 Minuten vor dem regulären Beginn der Sendung. Die Vorwürfe gegen Ken Jebsen wogen sehr schwer, wir konnten sie auf die Schnelle nicht aufklären. Deshalb haben wir uns entschieden, die Sendung aus dem Programm zu nehmen – um unser Programm, aber auch, um den Moderator zu schützen. Das hat sich alles leider überschlagen und wir mussten uns erst einmal intern auseinandersetzen mit den Fragen: Was ist wann wo gesendet oder gesagt worden? Und was steht im Internet? Da waren wir mit der Kommunikation nach außen nicht schnell genug. Das räume ich gern ein. Es wäre gut gewesen, sofort auf „Fritz“ etwas zu sagen oder sich im Internet zu äußern.

Diesen Text habe ich am 12.11.2011 für die „Berliner Morgenpost“ und deren Onlineausgabe geschrieben.


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